Tag 45: Die Duselbauern schlagen wieder zu!

In Erwartung summender Bienen sind wir diesen Morgen rechtzeitig aus den Federn gekommen und wollten uns schon um 9 Uhr schnellstmöglich auf die Räder schwingen. Doch unser Host, auch wenn wir „nur“ im Garten hingen, hatte andere Pläne. Er passte uns ab, während wir unser Campinggear zusammenpackten und bot uns noch ein paar Kleinigkeiten aus seinem Garten an. Wir durften außerdem noch das Gulasch probieren, welches er die gesamte Nacht für den anstehenden Geburtstag eingekocht hatte. Er erzählte uns, dass wir in ein paar Kilometern eine Quelle vorfinden würden, wo wir frühstücken könnten. Er arbeitet in der örtlichen Wasserversorgung und ist für die Frischwasserversorgung, die durch die Kanäle, an dem wir Tags zuvor gegessen hatten, gesichert wird, verantwortlich.

Wir fuhren erstmal ein wenig, ohne gefrühstückt zu haben. Um das nächste Zwischenziel zu erreichen mussten wir, zu Leons großer Belustigung, mehrfach „Schaf“ links und rechts abbiegen. Wir haben unser Frühstück dann etwa 10 Kilometer flussaufwärts eingenommen.

Wir hatten den empfohlenen Wasserfall ausgemacht und fanden zudem noch eine Mühle vor, die weiterhin in Betrieb ist. Direkt vor der Mühle konnten wir uns auf einer gemütlichen Bank niederlassen und unsere Haferflocken kochen.

Nach dem ersten und einzigen Aufstieg des Tages ging es wieder weiter bergab.

Die Etappe sollte, nach den ersten 20 Kilometern, flach werden. Wir gingen die Abfahrt stürmisch an und da der Schotter recht lose und die Kurven steil waren kamen wir in die erste brenzlige Situation. Johannes fuhr in eine enge Kurve und entschied sich im letzten Augenblick einfach geradeaus in den Strassengraben, der eher ein Feld war, zu fahren, um nicht vom Fahrrad zu fallen. Glück gehabt, denn es ist nichts passiert und durch seine schnelle Reaktion konnte Schlimmeres verhindert werden. Leider sollten wir kein zweites Mal dieses Glück haben…

Die Abfahrt wurde weniger steil, dafür aber wieder etwas hügeliger. Der Weg war klein, geteert und man konnte wunderbar cruisen. Über eine kleine Anhöhe in einer weiten Rechtskurve passierte es dann. Ein Auto, welches auf der einspurigen Straße vom vorausfahrenden Leon ohne weiteres einsehbar und dementsprechend passierbar war, wurde von Johannes zu spät gesehen. In Anbahnung eines Frontalzusammenstoßes leitete Johannes alle möglichen Brems- und Lenkversuche ein und schaffte es knapp am Auto vorbei. Doch als er schon neben dem Auto war, blockierte durch die recht hohe Geschwindigkeit von etwa 30 km/h die Hinterbremsen und kurz darauf auch sein Vorderrad. Der Lenker, der sich durch das Ausweichmanöver verzog und damit schief zum Rahmen stand, verzog das Vorderrad so extrem, dass das Rad augenblicklich stoppte und Johannes regelrecht über den Lenker abwarf. Dieser konnte sich zwar über die rechte Seite abfangen, erlitt aber aufgrund der Kräfte einen ordentlichen Aufprall auf dem Asphalt. Malte fuhr ein paar Meter weiter hinten und konnte nur noch den Moment kurz nach dem Sturz wahrnehmen. Leon fuhr vor Johannes und sah ihn noch über den Lenker fliegen. Leon und Malte rannten sofort los und kümmerten sich um Johannes. Dieser stand nach dem Fall eigentlich schon wieder perfekt auf den Beinen und beschwerte sich glücklicherweise bereits über seine großen Schmerzen. Tatsächlich waren erstmal alle mehr oder weniger erleichtert, dass auf den ersten Blick kleine größeren äußerlichen Schäden zu erkennen waren.

Der beteiligte Autofahrer war, während Malte und Leon sich um Johannes kümmerten, nach ein paar Flüchen einfach wieder ins Auto eingestiegen. Er machte auch keine Anstalten stehen zu bleiben, um sich nach Johannes Zustand zu erkundigen. Johannes hatte sich derweil etwas erholt, stand aber immer noch unter Schock und konnte sich nicht im Detail an den Unfall erinnern. Da wir mitten in der Pampa auf einer Straße ohne Schilder saßen, blieb und nichts anderes übrig, als einen Krankenwagen zu rufen. Der Notruf war aber nicht in der Lage unsere Position zu bestimmen und so mussten wir einen der wenigen Autofahrer anhalten und hielten ihm notgedrungen das Telefon ans Ohr. Er konnte kein Englisch oder Deutsch, aber durch Zeichensprache und den Anweisungen am Telefon konnte er unsere Position durchgeben und der Rettungswagen war endlich unterwegs.

Johannes rechter Arm war lädiert und stark bewegungseingeschränkt. Dazu kamen diverse Schürfwunden und Prellungen. Der Krankenwagen kam kurze Zeit später. Johannes wurde von einer sehr kompetenten Sanitäterin untersucht und anschließend transportfähig gemacht.

Im Krankenhaus wurde dann, nach Röntgenaufnahmen, glücklicherweise kein Bruch festgestellt, sondern lediglich eine Verstauchung. Etwa zwei Stunden Wartezeit und 10€ ärmer durfte Johannes wieder gehen. Alle weiteren Wunden wurden erst gar nicht versorgt. Die Hoffnung, es würde in ausländischen Krankenhäusern besser laufen als erwartet, war dahin.

In der Zwischenzeit warteten Leon und Malte immer noch am Unfallort, um auf das entstellte Fahrrad aufzupassen und auf die Polizei zu warten. Leider durfte niemand Johannes ins Krankhaus begleiten, um ihn zu unterstützen. Die beiden standen vor dem Problem, ein defektes Rad mitten in der Pampa in die nächstgelegene Zivilisation zu transportieren. Die Stadt Gospič, in der Johannes auch im Krankenhaus untersucht wurde, lag ungefähr 25km entfernt. Das Rad zu schieben bzw. zu tragen war keine Option. In bereits geübter Manier wurden alle vorbeifahrenden Autos abgefangen und gefragt, ob jemand einen Transporter zur Verfügung hätte. Beim vierten Versuch waren wir erfolgreich und ein netter kroatischer Autofahrer bot an, das Fahrrad einfach in seinem Auto zu transportieren.

Die Polizei traf ein und war leider erstmal für nichts zuständig, sodass Verstärkung gerufen werden musste. Die zweiten Beamten nahmen den Fall dann doch relativ motiviert auf. Mit Kamera und Maßband attestierten Sie, nach einer Bremsspuranalyse, dass an dieser Stelle nicht genug Platz für zwei Fahrzeuge war. Johannes war außerdem nicht komplett rechts gefahren. Nach kurzer Zeugenbefragung fuhren die Polizisten dann weiter in Richtung Gospič Krankenhaus. Leon und Malte mit dem Fahrrad hinterher.

Die gleichen Beamten trafen kurz darauf bei Johannes ein und nahmen ihn vom Krankenhaus zur örtlichen Polizeiwache mit. Ein Unfall muss schließlich dokumentiert werden. 221,99€ für einen Unfall mit Personenschaden wurden ihm abgezwackt. Die Person, die zu Schaden gekommen ist, war zwar ausschließlich er selbst, ändern können wir an dem Urteil leider nichts. Immerhin gab es einen positiven Aspekt, wir bekamen einen Tipp, wo wir in der kleinen Stadt Gospič, vielleicht doch noch Johannes Rad reparieren könnten. In ganz Gospič und in der Umgebung gab es keinerlei Fahrradläden. Ein Polizist machte Johannes mit Luka bekannt.

Malte und Leon trafen nach einiger Fahrzeit auf Johannes der bereits vor Luka’s kleiner Werkstatt saß ein. Sie waren zunächst etwas verwirrt, da Sie Johannes eigentlich vorm Krankenhaus beziehungsweise vor der Polizeiwache erwartet hatten. Jetzt standen sie vor einer kleinen chaotischen, aber gut sortierten Werkstatt, während Johannes die Abholung seines kaputten Fahrrads organisierte.

Johannes verschwand mit Luka in einem Van und Leon und Malte warteten erwartungsvoll. Die ganze Aktion hatte allen etwas zugesetzt und daher waren Sie glücklich als sie in der Zwischenzeit ungefragt mit Cola versorgt wurden. Johannes kam mit dem Fahrrad im Gepäck zurück und Luka machte sich direkt daran die Vorderradfelge zu bearbeiten. Ziel war es, das Fahrrad so wiederherzustellen, dass es die etwa 100km nach Zadar zum nächsten Fahrradladen überleben würde. Luka nahm einen Hammer zur Hand und brachte die Felge mit gezielter Gewalt wieder in einen ansehnlichen Zustand. Immer wieder kamen Leute aus der Nachbarschaft vorbei, um ein Bierchen mit Luka zu trinken und seine Fähigkeiten bei uns anzupreisen. Wir hatten den einzigen und besten Fahrradreparateur in Gospič gefunden, der gleichzeitig auch noch unglaublich nett war. Seine Tochter kam dazu, um zu dolmetschen und seine Frau versorgte uns später mit Kaffee, selbst gemachtem Schinken, Brot und – natürlich ebenfalls selbst gemachtem – Raki. Nachdem Luka mit dem ersten Ergebnis nicht zufrieden war, fuhr er los und kam kurze Zeit später mit vier Vorderrädern wieder.

Das Glück war auf unserer Seite und eine der Felgen hatte zufälligerweise genau die passenden Maße. Leon und Malte begannen mit Luka’s Unterstützung sofort das neue Rad einzuspeichen.

Nachdem alles passte und auch ein neuer Reifen aufgezogen war, wurde noch der Sattel repariert. Luca zog dafür das passende Ersatzteil aus seiner Sammlung und nach ein bisschen Arbeit mit der Flex war auch der letzte Defekt aus der Welt geräumt.

Nachdem alles fertig war, unterhielten wir uns noch über die anstehende Tour und konnten ein paar Tipps für unseren weiteren Weg mitnehmen. Luka kannte sich sehr gut in der Umgebung aus, da er selbst Vorsitzender im Gospič Bike und Motorradclub ist. Wir sollten uns außerdem vor wilden Tieren und den Landminen in Acht nehmen.

Völlig erschöpft erreichten wir das kurzfristig organisierte Airbnb. Wir schliefen ein uns freuten uns auf einen Tag mit etwas weniger Aufregung.

P.S. der Flicken hat den Unfall überlebt.

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