Tag 11: Töpferkunst und Solastalgie

Heute haben wir es mal wieder etwas langsamer angehen lassen. Leon stand um 11:00 Uhr auf, Malte war im Wohnzimmer schon wach geworden. Als morgendliche Übung haben wir den Tagebucheintrag für den neuen Tag unserer Reise fertiggestellt und sind dann los, ganz langweilig wieder in unser Stammcafé gegangen. Dort haben wir einigermaßen ereignislos unseren morgendlichen Koffein-Intake abgedeckt, sind weiter zum Frühstücken beim Phô-Laden unseres Vertrauens. Die Musik vom Konzert auf der anderen Straßenseite war fast unaufhaltbar laut und die Laune der Ladeneigentümerin dementsprechend angeschlagen. Egal, die Suppe war lecker!

In dem Laden trafen wir die Entscheidung heute nach Bat Trang zu fahren. Ein Punkt den wir schon seit Ankunft in Hanoi auf unserer Liste hatten. Tags zuvor waren wir aufgrund der Verdauung von Leon nicht hingefahren. Heute hatten wir bisher nichts besseres vor und Leon fühlte sich dem Weg gewappnet. Wir fuhren, nachdem wir unsere Suppe aufgegessen hatten sofort los. Unser Weg führte uns wieder über die Long-Biên-Brücke.

Bat Trang ist bekannt für seine traditionelle Töpferkunst. Zunächst besuchten wir das Töpfereimuseum, das allein schon aufgrund seiner sehr auffälligen Architektur ein Anziehungspunkt darstellt. Doch obwohl man denken könnte, dass sich an so einem Ort Touristen aus Europa und Asien tummeln müssten sahen wir fast ausschließlich Vietnamesen. Es scheint, die 30 Minuten Fahrt mit dem Moped ist den meisten Touristen zu weit.

Der erste Weg führte uns auf das Dach des Museums, wo wir einen Kaffee mit grandioser Aussicht zu uns nahmen.

Die Ausstellung ist ganz hübsch, leider wird sehr wenig erklärt. Es wurden aber vereinzelt Filme aus dem alten Vietnam gezeigt – vermutlich aus den 60er Jahren. Das Sehen der Filme löste, wie Leon erst tags darauf in einem Zeitungsartikel lesen sollte, Solastalgie aus. Es wurde dort beschrieben mit den Worten: “Gefühl des Verlustes angesichts der schmerzvollen Erkenntnis, dass die Erde zerstört und nie mehr dieselbe sein wird.”

In den Filmen war ein Vietnam vor der Industrialisierung zu sehen, als es, dort wo die Menschen lebten, nicht komplett zugemüllt war, man nicht in jeder Ecke produzierten Schrott aus China kaufen konnte und die Straßen noch nicht geteert waren. Das Leben muss damals deutlich härter gewesen sein, aber man kann sich schon fragen, ob die Menschen heute tatsächlich glücklicher sind. Das führte auch kurz zu dem Gedanken wie rücksichtslos Unternehmen handeln, wenn sie ihre Waren aus Plastik und verpackt in Plastik in Ländern exportieren, in denen die Entsorgungsinfrastruktur nicht mit der Fülle an Abfall umgehen kann. Die Verschmutzung der Umwelt kann diesen Unternehmen im Angesicht der Auswirkungen nur egal sein.

Naja, back to topic! Im Erdgeschoss des Museums sind einige Keramikläden angesiedelt und man kann die Künstler teilweise sogar dabei beobachten, wie sie ihre Vasen bemalen. Leon und Malte guckten sich alle Läden an und fuhren in die Innenstadt von Bat Trang.

Stellt sich heraus: Nicht nur das Erdgeschoss des Museums ist vollständig dem Verkauf von Keramik gewidmet. Tatsächlich befinden sich in der gesamten Stadt im Erdgeschoss kaum andere Läden. Besonders auffällig sind die mannshohen Vasen mit goldener Bemalung, es wird aber auch kleinste Keramik in Form von Schlüsselanhängern verkauft, alles dazwischen und alles in jeder erdenklicher Form und Farbe. Völlig überfordernd, wenn man eigentlich gar nicht so richtig weiß was man eigentlich haben will. Schlussendlich beschränkten wir uns auf einige kleinere Teile und fuhren zurück zum Museum, wo Leon sich einige Stunden zuvor ein paar Sachen hat zurücklegen lassen.

Gut bepackt sattelten wir uns schließlich wieder auf unser Moped und traten zügig die Heimreise an. Eigentlich mussten wir unser Moped schon am frühen Abend zurückgeben. Nachdem Malte noch seinen Bart frisieren ließ, meldete sich der Verleih und gab uns das Moped noch zwei Stündchen länger. Deswegen konnte Malte seinem Wunsch nachgehen noch in den “Go” beziehungsweise den “Big C” zu gehen und mit Leon dort ein paar Besorgungen zu machen.

Die Mall war wie so oft völlig überlaufen und Leon wieder geplagt von seinen Krämpfen. Er hatte zunächst gedacht es werde schon auszuhalten sein, aber dem war nicht so. Gleichzeitig hatten wir schon ewig nichts mehr in den Magen bekommen und die Laune sank langsam ins bodenlose.

Lösung: Essen. Leon entschied sich für ein Restaurant in der Mall, während Malte sich im Foodcourt direkt in der Mall was zu Essen besorgte. Im Restaurant wartete Leon auf Malte bis dieser mit seinen Besorgungen durch war. Ihm war gar nicht danach sich durch die bedenkenarm konsumierenden Menschenmassen zu schieben, die sich im Supermarkt langsam zu türmten begannen. Besonders nicht nach dem, wie er sich im Museum in Bat Trang kurz zuvor gefühlt hatte.

Als Malte schließlich seine Besorgungen abgeschlossen hatte, ging es mit dem Moped wieder Richtung Wohnung, durch ein Schlagloch, durch das der hinten auf dem Moped sitzende Malte gradezu durch die Luft geschleudert wurde und sich dabei gefühlt drei Wirbel brach. Vorbei an dem Festival, das nun im übrigen schon den dritten Tag in Folge Tag und Nacht geöffnet hatte, und den Betrunkenen, die aus dessen Ausgang ohne Sinn und Verstand einfach auf die Straße strömten. Kurz kam bei uns der Gedanke auf, dass wir uns heute Abend noch zu ihnen gesellen wollten, einfach um dieses Event nicht zu verpassen. Gegen 21:30 Uhr zuhause angekommen luden wir die Einkäufe aus und Leon fuhr zum Mopedverleih um das Moped zurückzugeben, nur um festzustellen, dass der Eigentümer grade Essen gegangen war. Also fuhr er wieder zurück zu Malte in die Wohnung. Wir setzten uns aufs Sofa und begannen uns bei einer Partie Schach auf dem Sofa zu entspannen. Eine halbe Stunde später und auf halben Wege einer spannenden Partie bekamen wir die Nachricht, dass wir nun unser Moped abgeben konnten. Also fassten wir den Plan gemeinsam hinzufahren und einmal über das Festival zu schlendern, um zu schauen wie es da so aussieht. Schon auf dem Hinweg stellten wir fest, dass es endlich sein Ende gefunden hatte. Kurz waren wir enttäuscht, dann irgendwie aber auch froh, dass wir uns das hiermit nicht mehr geben mussten.

Zu Fuß liefen wir die paar hundert Meter wieder zurück zur Wohnung, konnten den Tag aber noch nicht beschließen. Der Biergarten in der Nähe unserer Wohnung nahm auch schon keine Gäste mehr entgegen… Irgendwo musste doch noch Bier zu holen sein? Wir setzten uns kurzerhand in ein Restaurant am See, bestellten uns zwei Bier und einen Wasserspinat, holten danach noch einen Saft beim angestammten Saftladen, gingen zurück in die Wohnung, beendeten unsere Partie Schach und auf einmal war es schon 01:45 Uhr.

Unser Taxi hatten wir für 03:15 Uhr bestellt, gepackt hatten wir logischerweise noch nicht.

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