Wir starteten den Tag viel zu früh – um 4 Uhr morgens. Zumindest war das der Plan. Malte hatte den Wecker zwar gehört, sich aber großzügig dazu entscheiden erstmal weiterzuschlafen. Damit hatten wir aber kalkuliert, und so schafften wir es dennoch, gegen 4:30 Uhr zu dritt mit den Mopeds loszufahren. Es war unsere erste Fahrt in der morgendlichen Dunkelheit, und sie hatte etwas Abenteuerliches, fast schon Gefährliches. Die Straßen waren kaum beleuchtet, und die Dörfer, die wir durchquerten, erwachten gerade erst zum Leben. Aus vielen kleinen Wägelchen wurde Frühstück verkauft, und die morgendliche Hektik der Einheimischen bildete im Vorbeifahren eine aufregende Kulisse. Gepaart mit überholendenden LKWs, die scheinbar ausschließlich mit Fernlicht unterwegs sind, unbeleuchteten Mopeds und dem einen oder anderen Jogger wurde das Chaos vervollständigt. All das schien so selbstverständlich, dass wir versuchten uns von alle dem nicht aus der Ruhe bringen zu lassen – mit begrenztem Erfolg.
Unser Ziel waren an diesem Tag die alten Tempelruinen im „My Son Sanctuary“, die wir unbedingt zum Sonnenaufgang erleben wollten. Zwar hätten wir uns auch einer organisierten Tour anschließen können, doch die Vorstellung, 30 Euro pro Person für einen überfüllten Touristenbus und eine oberflächliche Standardführung auszugeben, war wenig verlockend. Stattdessen entschieden wir uns, unsere Mopeds zu nutzen – schließlich hatten wir die ja extra für solche Späßchen gemietet.
Nach etwa anderthalb Stunden Fahrt kamen wir an. Durch den frühen Start, die Dunkelheit und die doch eher schlechten Straßen waren wir sehr konzentriert gefahren und dementsprechend noch ein bisschen benommen. Leider war der Himmel mittlerweile wolkenverhangen, und der erhoffte Sonnenaufgang, wegen dem wir extra früh gestartet waren, blieb aus. Stattdessen mussten wir sogar noch eine Weile warten, bis das Ticketbüro für uns öffnete. Nach kurzer Zeit erschien die Kassiererin und wir erhielten als allererste Gäste unsere Eintrittskarten. Zu unserer Überraschung waren, und blieben wir – abgesehen von einer kleinen Familie, die sich zum Ort chauffieren ließ – zunächst fast die einzigen Besucher. Mit einem Elektroscooter wurden wir vom Eingangsbereich ein Stück näher an die Ruinen gebracht, bevor wir noch den Rest des Weges zu Fuß zurücklegten.
Irgendwann kamen wir an den ersten, noch recht überschaubaren Überresten der ersten Gebäude an. Die Tempelanlage erstreckt sich über ein weites Gebiet, wobei jeder der verschiedenen Bereiche aus mehreren zusammenhängenden Gebäuden, beziehungsweise deren Überbleibsel besteht.
Nach den ersten Teilen und einem kleinen Spaziergang kamen wir zum Hauptteil des Tempels. Dort angekommen waren wir völlig überwältigt. Wir konnten auf die von Moos und Pflanzen überwucherten Tempel gucken, die aussahen, als seien sie aus einem Abenteuerfilm entsprungen. Die Szenerie wirkte wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit – mystisch und still. Kein Tourist weit und breit! Ein Audioguide lieferte interessante Hintergrundinformationen, auch wenn die Zuordnung zu den einzelnen Gebäuden manchmal knifflig war – irgendjemand hatte wohl die Beschilderungen umgestellt. Besonders schockierend war der Fakt, dass diese heiligen Stätten während des Vietnamkriegs von den USA mehrfach bombardiert wurden. Wir diskutierten eine Weile über die uns unverständlichen Beweggründe und die Auswirkungen einer solchen Zerstörung von einem kulturell und historisch so bedeutsamen Ort.
Nach etwa drei Stunden strömten nach und nach immer mehr Touristen auf die Anlage, und mit der steigenden Besucherzahl schwand mehr und mehr die Magie des Ortes. Da wir ohnehin langsam müde wurden, und unsere Konzentration nachließ, machten wir uns auf den Rückweg. Der Versuch, unterwegs etwas Vegetarisches für Lena zu finden, gestaltete sich wie bereits erwartet ziemlich schwierig. Schließlich entdeckten wir ein kleines Restaurant, das „Bun Ca“ – eine traditionelle Fischsuppe und eine Spezialität der Umgebung um Hội An– anbot. Für gerade einmal 20.000 VND pro Portion bekamen wir eine sättigende Mahlzeit (inklusive Getränke).
Kurz vor Ankunft im Hostel kamen wir mit den Mopeds noch an einem vietnamesischen Friedhof vorbei. Friedhöfe sehen in Vietnam ganz anders aus. Jede Familie hat ein großes Steingrab, dass teilweise auch aufwändig geschmückt und überdacht ist. Wege zwischen den Gräbern sind nicht angelegt, und so muss man, wenn man zu einem Grab möchte über andere Gräber klettern oder zwischen hindurch zwängen und trifft auf dem Weg vereinzelt die vierbeinigen Rasenmäher.
Zurück im Hostel in Hội An gönnte sich Malte erstmal ein Nickerchen, während Leon mit Lena loszog, um durch die Gegend zu spazieren. Die beiden kamen an einem Kameraladen vorbei, der analoge und digitale Kameras sowie Reparaturen anbot. Leon überlegte, ein Zoom-Objektiv für Johannas analoge Kamera zu kaufen, doch leider war kein passendes vorrätig. Auch Lena war bei ihrer Suche nach einer Digitalkamera nicht erfolgreich. Stattdessen erstand Leon einen Gürtel, bevor die beiden sich in einem kleinen Café niederließen. Nach einer kurzen Pause kehrten Leon und Lena ins Hostel zurück. Leons Handy war inzwischen leer, und Malte hatte sich bereits gewundert, wo Leon ablieb, traf die beiden dann aber schließlich am Pool im Hostel wieder. Es stand eine weitere Entspannungspause für alle drei auf den Liegen am Pool an.
Leon und Malte aßen zum Abendbrot noch eine Pho ganz in der Nähe des Hostels. Weiterhin war am Abend eigentlich nichts weiter geplant, außer sich ein wenig auszuruhen. Doch wie so oft kam alles anders. Malte war fest entschlossen, einen neuen Rekord aufzustellen: Wie viele Rum-Cola lassen sich in der 15-minütigen Happy Hour, mit kostenlosen Getränken, trinken? Mit dieser Mission war der Grundstein für den weiteren Abend gelegt. Der Barbereich füllte sich unerwartet schnell mit weiteren Hostelgästen, und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Lena schlüpfte in ihre Rolle als Animateurin und motivierte die Anwesenden zusammen in die Clubmeile in Hội An zu Fahren. Nach ein paar Runden Billard und Bierpong war klar: Ein entspannter Abend zur Erholung würde das nicht mehr werden.
Wir zogen also, etwas später, mit einer größeren Gruppe an Hostelgästen los in die Innenstadt von Hội An. Natürlich lagen wir nicht um 12 Uhr im Bett um zu schlafen.