Als wir an diesem Morgen aufwachten, wurden wir von dem paradiesischen Panorama des Lovčen-Nationalparks überwältigt. Im Morgenlicht erschien es noch schöner, als wir es abends noch wahrnehmen konnten. Nichtsdestotrotz entschieden wir, ohne Frühstück loszufahren.
Es sollte weiterhin bergab gehen und ganz am Ende der Abfahrt wartete die Stadt Cetinje auf uns. Wir wollten dort in einer Bäckerei ein paar Brötchen kaufen und anschließend in einem Café frühstücken.
In Montenegro wird es gehalten wie in bayrischen Biergärten. Solange man etwas trinkt, ist es üblicherweise völlig in Ordnung sein eigenes Picknick mitzubringen. Gleich gegenüber der Pekarna befand sich ein Café und wir wollten uns kurzentschlossen dorthin setzen. Auf einem laminierten Zettel, der auf jeden Tisch lag, war zu lesen, dass es nicht erwünscht sei, sein eigenes Essen mitzubringen. Es war kein Verlust, vielmehr eine Chance. Wir schauten uns um und gingen zurück in die Fußgängerzone, wo wir das Ka‘ Doma fanden. Von außen betrachtet kein außergewöhnliches Café. Das Kaffe machte mit dem Eiswagen vor der Tür und den fehlenden Sonnenschirmen keinen besonderen Eindruck. Schon der Kaffee überzeugte uns. Ebenso war die Art, mit der kommuniziert wurde, sehr angenehm. Uns wurde erst nach dem ersten Toilettengang von Johannes so richtig bewusst, dass wir im Paradies gelandet waren. Er kam zurück und war völlig baff von der Inneneinrichtung. Malte und Leon mussten sich das mal ansehen.
Es stellte sich heraus, dass das Café viel mehr war als nur ein Café. Es war ein Treffpunkt für die Jugendlichen und Studenten der Stadt. Jede Wand war bemalt. Teils mit psychedelischen Motiven, vor allem jedoch mit Gesichtern und Fratzen unterschiedlichster Art. Wiederkehrendes Motiv waren außerdem kleine weiße Geister, die sich an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Interpretationen wiederfanden.
Als es in der Sonne, vor dem Café, zu warm wurde, um dort entspannt zu sitzen, verlagerten wir uns also in den hinteren Teil des Cafés. Dort lag ein, ebenso wie das gesamte Interior dekorierter, Innenhof. Der Eigentümer beobachtete uns, wie wir begannen umständlich unsere Räder an die nächste Laterne anzuschließen. Er kam auf uns zu und erklärte uns, dass wir die Räder einfach zwei Türen weiter in einem ehemaligen und zukünftigen Laden abstellen könnten. Wenn wir wollten, könnten wir uns dort auch kurz abduschen. Im Hinterhof angekommen entschlossen wir uns, ohne ein Wort dafür wechseln zu müssen, dazu, die Hitze auszusitzen und erst abends weiterzufahren.
Die Musik, die wir im Innenhof nun viel besser hören konnten, war sehr entspannt. Sie schwankte zwischen moderner elektronischer Musik und House-Klassikern der 90er und 00er-Jahre. Leon und Malte ging es gesundheitlich immer noch nicht prächtig. Deswegen kam die Pause für sie sehr gelegen. Leon döste ein wenig, die anderen beiden informierten sich unter anderem über Campingkocher oder lasen langsam aber sicher ihre Handys leer.
Malte und Johannes sind auch einkaufen gegangen und gegen 16:00 Uhr beschlossen wir dann schließlich zu zahlen. Als Malte an der Bar stand, bekam er die Frage gestellt, ob wir Interesse daran hätten noch Akroyoga zu machen. Wir verneinten nicht. Da jedoch, just in diesem Moment, weitere Kundschaft eintraf, mussten wir uns noch ein wenig gedulden, bevor wir oben auf den Dachboden des Hauses geführt wurden. Jedes Stockwerk war im selben Flair gestaltet, wie auch das Erdgeschoss. Überall Couches, Sessel und Teppiche, bemalte Wände… es war wirklich der ideale Ort um einen faulen Nachmittag im Schatten zu verbringen. Im obersten Geschoss unterhielten wir uns, während und zwischen den Übungen, mit ein paar weiteren Stammgästen des Cafés über die Geschichte von Cetinje. Besonders einer schien viel Ahnung über die Stadt zu haben und bot sich schließlich an, uns eine Stadtführung zu geben.
Er erzählte uns von den vielen Botschaften in Cetinje und wie es möglich war, dass das damalige Königreich Montenegro einen so großen Einfluss hatte. Ebenso wurden wir über die Gründung von Cetinje aufgeklärt und eng damit verwoben war ebenjene Gründung Montenegros. Außerdem zeigte er uns das historische Theater der Stadt. Wir fanden heraus, dass er der oberste Verantwortliche für die Produktionen des königlichen Theaters war. Was ein Zufall! Er führte uns allwissend durch jeden Raum. Wir durften hinter die Bühne (auf der Theaterstudenten grade das Stück für ihre Prüfung probten), in die Maske und den Raum für Requisiten. Außerdem durften wir noch in den, im ähnlichen Stil wie dem des Ka’ Doma eingerichteten, Bereich, in dem abgeschlossene Erstaufführungen und eigentlich auch sonst alles andere gefeiert werden.
Nach der Führung begaben wir uns wieder zurück in das Café. Nach ein paar Minuten haben wir uns schließlich dazu durchgerungen, doch noch was zu essen. Der Eigentümer der Bar kümmerte sich persönlich um die Sandwiches und benötigte lediglich eine halbe Stunde sie zuzubereiten. Dazu bestellten wir einen Grapefruit-Saft.
Während wir bestellten, wurde uns ein Zimmer im, noch nicht vollständig fertiggestellten, Hostel angeboten. Wir mussten eine Münze werfen, um zu entscheiden, ob wir dort bleiben wollten oder lieber draußen schlafen. Die Münze entschied auf „draußen schlafen“. Wir erkundigten uns also stattdessen nach guten Schlafplätzen auf unserem Weg. Wir bekamen einige Empfehlungen, leider jedoch nur für gute Zeltplätze.
Unser Aufenthalt in dem Café war so geprägt von bedingungsloser Gastfreundschaft, dass es uns am Ende schon fast unangenehm war die Nacht im Hostel abzulehnen. Es fühlte sich zwischenzeitlich an, als wäre die gesamte Situation ein durchgeplantes Theaterstück, damit wir länger bleiben und so mehr Geld ausgeben und eben zum Schluss vielleicht sogar im Hostel schlafen. Wir haben, nachdem wir wieder auf unseren Rädern saßen, kurz darüber nachgedacht, aber recht schnell beschlossen, dass es ehrliche Gastfreundschaft gewesen sein muss. Der Aufwand, der betrieben wurde stand in keinem Verhältnis zum „Ertrag“, der durch ihn generiert werden konnte.
Die Abfahrt zur untergehenden Sonne war mal wieder eine Augenweide. Wir fuhren hinab ins Tal während es von der Sonne erst in goldenes und später in rotes Licht getaucht wurde.
Beim ersten, einigermaßen begehbaren Trampelpfad hielt Malte an, um nach Plätzen für unsere Matten zu schauen. Er fand prompt eine Lichtung, umringt von einigen Bäumen, die sich gut zum Hängen eigneten. Es war ein wunderbarer Platz!
Wir bauten die Hängematten auf (war dann doch komplizierter als gedacht!) und aßen unseren Snack von der Bäckerei, den wir eigentlich für den Nachmittag vorgesehen hatten, bevor wir dann doch noch länger im Ka‘ Doma geblieben sind. Das Kochen konnten wir uns also sparen. Das war auch gut so, da die Mücken breite nach wenigen Sekunden begannen uns langsam aufzusaugen. In unserem Hängematten sind wir vor den Viecher zum Glück weitgehend geschützt!
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