Heute hat Leon sein Handy wieder nicht direkt neben das Bett gelegt, was dazu führte, dass er mit dem ersten Wecker aufstand.
Malte hingegen konnte wieder nicht einschlafen und verbrachte die Nacht auf dem Sofa. Dort wurde er verklatscht von einem ausgeschlafenen Leon gefunden, da Malte in der Nacht einfach keinen erholsamen Schlaf gefunden. Während Leon also am Computer saß und den Blog um neue Features erweiterte, döste Malte auf dem Sofa noch etwas in den Morgen hinein. Trotzdem haben wir es auch heute wieder aus dem Haus geschafft, wo uns eine morgendliche Herausforderung erwartete. Unsere Nachbarn vom „Moon Café“ hatten in der Nacht weiter fleißig renoviert und uns mit einer ausgehängten Tür direkt vor unserem Hinterausgang „beglückt“.
Man kann sein Moped in Ha Noi nicht einfach auf die Straße stellen, sondern braucht eine Garage oder einen Bereich im Haus zur Unterbringung. Unser Haus hat einen Hintereingang, der in einer winzigen Nische endet, die wiederum zu einer kleinen Gasse führt. Zur Straße hin haben wir einen weiteren Nachbarn, das „Moon Café“, an dessen Hintereingang wir vorbeimüssen, um zur Straße zu gelangen. Wir schieben unser Moped daher jedes Mal dort vorbei durch die kleine Nische zum Hintereingang in unser Haus – beziehungsweise würden wir das gerne. Die Eigentümer des Moon Cafés haben die nervige Angewohnheit, sämtlichen Schrott, Müll, Tische, Kühlschränke und auch ihre Mopeds so in den Weg zu stellen, dass wirklich niemand durch Nische geschweige denn zur Straße kommt. Dabei sind wir nicht die einzigen Leidtragenden.
Beim Herausschieben des Mopeds stieß sich Malte an der ausgehängten Tür das Bein, was in einer kleinen Schürfwunde endete. Nichts Weltbewegendes, aber die gute Laune und die Nächstenliebe zum Nachbarn waren dahin. Wie auch an den Tagen zuvor suchten wir das einigermaßen freundlich Gespräch mit den Betreibern vom Moon Cafe, die stets sehr einsichtig wirkten. Die Geschichte erinnert jedoch stark an Maltes letzten Vietnam-Besuch, wo sich trotz Beschwerde keine Veränderung einstellte, weshalb unsere Hoffnungen auf Besserung gering sind. Während in Deutschland zwischen Nachbarn wegen einer zu hohen Hecke mit Anzeigen gedroht werden kann, versucht man in Vietnam, alles ohne Einbeziehung der Behörden zu regeln. Denn ohne Polizei bleibt es für beide Seiten immer günstiger.
Mit einer schnellen Fahrt zum Café versuchten wir, den Ärger zu vergessen, und machten uns auf zu unserem Stammlokal. Malte, noch etwas wild von der Auseinandersetzung, entschied sich für einen Salzkaffee. Leon wählte den sicheren Weg mit einem Kokosnusskaffee und einer Limonade. So saßen wir dort, schauten wieder dem Treiben auf der Straße zu und überlegten, was wir in den nächsten Wochen noch erleben wollten. In der ersten Woche haben wir bereits viel von Ha Noi gesehen und für den nächsten Tag eine „Free Walking Tour“ gebucht, um noch mehr zu entdecken. Dennoch wollten wir Vietnam auch außerhalb von Ha Noi erkunden. Unsere Ideen reichten von Nachtbusfahrten und dem Versenden von Mopeds quer durchs Land bis hin zum Kauf von zwei alten Mopeds. Nach Abwägung von Spaß, Kosten, Aufwand und Zeit stand unser Plan fest: Wir würden nach Da Nang reisen und von dort aus mit Mopeds eine Rundreise bis Ho-Chi-Minh-Stadt machen. Laos und Kambodscha standen ebenfalls auf der Liste, doch trotz unserer mittlerweile erlangten Expertise in Sachen Visa gab es einige offene Fragen. Im Internet fanden sich widersprüchliche Informationen, je nachdem, welche Botschaft man konsultierte. Die Berichte anderer Reisender machten die Sache nicht einfacher.
Ach übrigens: Die Leute im Nachbarcafé sind zwar weiterhin auffällig, aber vielleicht ist es einfach ein Ort für seltsame Gestalten. Wir zweifeln zumindest langsam selbst an unserer Opiumhöhlen-Theorie.
Weiter ging es zum Brillengeschäft, um Leons falsch eingestellte Brille reparieren zu lassen. Während Leon beschäftigt war, fand Malte einen Bun-Cha-Laden in der Nähe, der quasi zum Frühstück einlud. So aß Malte Bun Cha und war schon fast fertig, als Leon mit der reparierten Brille aus dem Laden kam.
Weil ein Kaffee uns heute nicht ausgereicht hatte, fuhren wir in Richtung Westsee ins „CONG Café“, um uns einen Salzkaffee und einen Bac Xiu zu gönnen. Das Café ist im Stil vietnamesischer Kriegstunnel gestaltet, mit Tarnfarben-Dekor und Baristas in Tarnuniform. Wir waren uns noch nicht sicher, wie wir nach Da Nang reisen wollten, aber letztlich überzeugte die 1,5-stündige Flugzeit gegenüber einer 20-stündigen Busfahrt.
Nach dem erfolglosen Hosenshopping des Vortags hatte Malte einen Laden für Übergrößen ausfindig gemacht. Wir starteten also einen weiteren Versuch und besuchten das Geschäft mit dem Namen „Old Sailor“. Zwar gab es dort Hosen mit größerem Bund, aber dafür waren diese allesamt zu kurz. Damit hatte sich das Thema „Hosenkauf in Vietnam“ für Malte vorerst erledigt.
Da wir bereits Informationen zu unserer geplanten Route mit dem Moped gesammelt hatten, wollten wir uns nun in den Botschaften von Laos und Kambodscha über die Einreisebedingungen erkundigen um kein zweite Böse Überraschung á la indisches Visum zu erleben. Wir sind ja lernfähig! Unsere digitalen Passkopien reichten aus, um Zutritt in die Botschaften zu erhalten – die Originale hatten wir bei aller Vorbereitung „sicherheitshalber“ einfach zu Hause gelassen. Selbst ein Transitvisum kostete jedoch etwa 40 Euro, was uns für einen kurzen Aufenthalt von zwei bis vier Tages zu teuer erschien. Auch zur Einreise mit eigenen Mopeds gab es keine eindeutigen sondern eher unkonkrete Aussagen. Es zeichneten sich vor allem für Leihmopeds ohne Eigentumsnachweis Schwierigkeiten ab. Da wir uns dazu entschlossen hatten die Mopeds in Da Nang zu mieten könnte es hierbei Probleme geben. Als Lösung blieb uns die Möglichkeit eines „Visa on Arrival“ an den großen Grenzübergängen bei Ho-Chi-Minh-Stadt. Sollten wir dort scheitern – womit wir rechnen müssen –, haben wir bereits den Plan bis dahin einen Plan B für eine alternative Rückfahrt durch das Landesinnere Vietnams zu entwickeln.
Nach dem Besuch in der Botschaft durfte ein süßer Nachtisch nicht fehlen. Malte zeigte Leon „Kem Trung“ – einen Schaum aus aufgeschlagenem Ei, serviert mit einem Weißbrötchen zum Dippen. Dazu gab es den dritten Kaffee des Tages. Diesmal einen Egg Coffee, eine süß-salzige, cremige Kaffeespezialität mit Ei. So langsam kommt die Theorie, dass ein Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und fehlendem Schlaf bestehen könnte. Ein Teufelskreis.
Auf der Rückfahrt genossen wir in die Rushhour von Hanoi, meisterten den Verkehr und kamen unversehrt in der Wohnung an. Zu Hause ruhten wir uns aus und beschlossen dann spontan ins Kino zu gehen. Wir suchten uns ein modernes Kino in der neuen „Lotte-Mall“ aus. Wir hätten gerne eine lokale Produktion gesehen. Da unser Vietnamesisch dafür aber nicht ausreicht, entschieden wir einen amerikanischen Blockbuster: „Venom“. Amerikanische Produktionen werden in Vietnam in Originalsprache mit Untertiteln ausgestrahlt. Zur Stärkung gab es auf dem Weg noch „Bun Rieu“ – eine Reisnudelsuppe aus tomatiger Brühe. Leon wählte die Variante mit Krabben- und Rindfleisch, Malte entschied sich für die mit Tofu und Krabbenfleisch.
Im Kino gab es zwei Karten für den Saal, Snacks, zwei große Litschi-Tees und Popcorn in zwei Geschmacksrichtungen – für insgesamt 10,44 Euro. Der Film war spannend, und wir genossen das Event. Auf dem Rückweg hatten wir einen Videoanruf mit den Freunden aus Dresden und zeigten ihnen unsere Fahrt durchs nächtliche Hanoi. Zu Hause angekommen, gönnten wir uns frisch gepressten Saft, entspannten bei einer Partie Schach und arbeiteten an Blogbeiträgen, bevor wir gegen zwei Uhr nachts uns einen weiteren Saft holten.
Gegen drei Uhr haben wir es dann endlich ins Bett geschafft.